Geschichte

Die Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte (GKSt) besteht seit nahezu 150 Jahren. Sie wurde am 10. Dezember 1875 von 13 angesehenen Kieler Bürgern gegründet, unter ihnen Dr. Wilhelm Ahlmann (Bankier), Prof. Dr. Heinrich Handelmann (Direktor des Museums Vaterländischer Alterthümer), P. Kraus (Stadtrat), Alexander Niepa (Redakteur), Prof. Dr. Carl Schirren (Historiker), Dr. Friedrich Volbehr (Redakteur), Prof. Dr. Christian Volquardsen (Althistoriker), aber auch zwei Kaufleute, zwei Kreisgerichtsräte, ein Feld- und ein Gasinspektor.

Kiel im Umbruch

1865 begann für Kiel eine Zeit tiefgreifender Veränderungen, die Gesicht und Geist der Stadt innerhalb weniger Jahrzehnte vollständig veränderten. Mit der Bestimmung zum Reichskriegshafen nahm der Einfluss des Militärs in der beschaulichen Universitätsstadt seinen Anfang. Damit einher ging der rapide Bevölkerungsanstieg durch den Zustrom von Arbeitskräften für die schnell wachsende Wirtschaft, vor allem die Werften, Zuliefer- und Versorgungsbetriebe. Aus dieser Gemengelage entwickelten sich bisher nicht gekannte soziale Konflikte, die ihren Höhepunkt in der Novemberrevolution von 1918 fanden.

Diese Veränderungen begannen sich 1875 bereits abzuzeichnen. So diente die Gründung der GKSt vielleicht auch der Selbstvergewisserung der bisherigen städtischen Führungsschicht. Allein vier Gründungsmitglieder gehörten der Stadtverordnetenversammlung an, drei der Universität, die bisher der herausragende gesellschaftliche Faktor im Stadtleben gewesen war.

Aufgaben

Die GKSt verfolgte grundsätzlich dieselben Ziele wie heute. Drei Aufgaben setzte sie sich in ihrem Statut:

  • Gründung einer Stadtbibliothek: Dabei ging es nicht um die Leihbibliothek, die wir heute damit verbinden, sondern um die Anfänge einer Fachbibliothek zu Kiel und Schleswig-Holstein. Schon 1877 umfasste die Sammlung 2000 Bände, vorwiegend das Ergebnis von Spenden. 1898 wurde sie mit der Provinzial-, der späteren Landesbibliothek vereinigt, Restbestände 1908 an das von Stadtarchivar Dr. Gundlach reorganisierte Kieler Stadtarchiv übergeben, wo sie die Grundlage für dessen Bibliothek bildeten. Seitdem unterhält die GKSt keine eigene Bibliothek mehr; eine ihrer Hauptaufgaben der Gründungszeit war abgeschlossen.
  • Forschung zur Kieler Geschichte: Diese betreibt die GKSt bis heute, wie die umfangreiche Liste der Veröffentlichungen und Sonderveröffentlichungen belegt. Als erste wertvolle Ergebnisse erschienen die Quelleneditionen der mittelalterlichen Kieler Stadtbücher (Rentebücher, Denkelbuch, Varbuch), über die Kiel in seltener Vollständigkeit verfügt. Nicht immer konnte jedoch der eigene Anspruch eingelöst werden. Die Herausgabe eines Kieler Urkundenbuches scheiterte ebenso an fehlenden Ressourcen wie eine übergreifende topographisch-geschichtliche Darstellung Kiels über drei Jahrhunderte oder eine Ausgabe ausgewählter Quellen für die Kieler Stadtverfassung der Neuzeit, die nur eingeschränkt verwirklicht werden konnte.
  • Kennzeichnung von Alterthümern: Dieser Aufgabe wurde entsprochen mit der Aufstellung von Gedenktafeln für einige über Kiel hinaus bedeutende Persönlichkeiten wie Claus Harms oder Uwe Jens Lornsen, außerdem wohl durch die Beteiligung an der Restaurierung historischer Bauwerke. An ähnlichen Initiativen beteiligt sich die GKSt auch heute noch, zuletzt 2014 durch die Aufstellung einer Stele am Alten Markt, mit der an die Proklamation der Provisorischen Regierung am 24. März 1848 zu Beginn der schleswig-holsteinische Erhebung erinnert wird.

Daneben gab es von Anfang an für die Mitglieder Exkursionen zu historischen Orten der Umgebung sowie Fachvorträge. 1898 trat die GKSt dem „Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine“ Deutschlands bei.

Ab 1916 musste das anspruchsvolle Veröffentlichungsprogramm eingeschränkt werden. Denn der Vorstand musste feststellen, „daß die schlechte Finanzlage darauf zurückzuführen ist, daß der Kostenaufwand für Veröffentlichungen nicht im Einklang gestanden hat mit den Mitteln der Gesellschaft.“ 1920 wurde sogar überlegt, der Mitgliederversammlung die Auflösung der GKSt vorzuschlagen. Es wurden jedoch nur die Beiträge und die Preise der Veröffentlichungen mehrfach erhöht.

Schwierige Zeiten: 1920-1945

Nach dem 1. Weltkrieg und der Novemberrevolution 1918 folgte ein erneuter Umbruch in der Stadt. Die GKSt sah sich  einem wachsenden Bedürfnis nach geschichtlicher Information gegenüber und betrieb intensivere Öffentlichkeitsarbeit. 1921 bildete sie mit anderen Vereinen die – kurzlebige – „Arbeitsgemeinschaft der kulturellen Vereine in Kiel“, die vorwiegend Vorträge zum Themenkreis Geschichte, Heimat und Kultur anbot. Sie intensivierte die Beziehung zur Universität und zur Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte, vor allem über personelle Verflechtungen, und beteiligte sich an der Kampagne, das anderweitig genutzte Kieler Schloss kulturellen Zwecken zuzuführen. 1931 zog die Landesbibliothek mit der Historischen Landeshalle dort ein.

Nach der Inflation von 1923 stabilisierte sich die Finanzlage . Auch erhielt die GKSt von verschiedenen Seiten – nicht nur von der Stadt Kiel – Zuwendungen für ihre Arbeit bzw. einzelne Bereiche.

1933 wurde dann – im Einklang mit der neuen Zeit – der Vorstand fast vollständig neu besetzt und dem Führerprinzip unterworfen. Als neues Ziel wurde vorgegeben, dass „eine planmäßige Pflege stadtgeschichtlicher Erkenntnis und Forschung ein wirksames Glied in unserem Ringen um Volkwerdung werden kann und muss“. Dazu fügte sich der Beschluss, künftig „wertvolle kleinere, volkstümlich gehaltene Arbeiten“ zu fördern und in Jahresbänden zusammenzufassen – eine Vorform der „Mitteilungen zur Kieler Stadtgeschichte“ -, statt sich für allzu wissenschaftliche Werke zu verausgaben.

Die Arbeit war allerdings nicht mehr an den Wünschen und Möglichkeiten der Mitglieder orientiert, sondern dem Anspruch der herrschenden Ideologie unterworfen. Die Mitgliederzahl ging zurück. Zudem waren in den Jahren des 2. Weltkriegs  Veröffentlichungen kaum noch möglich, nicht zuletzt aus Papiermangel.

Neubeginn 1945

1945 mussten auch in der GKSt demokratische Verhältnisse erst wiederhergestellt werden. Vorstandswahlen fanden erst 1947 wieder statt. Der neue Vorstand musste zunächst die Freigabe der von der Militärregierung gesperrten Vermögenswerte erwirken. Die Veröffentlichungen blieben begrenzt; zum Teil wurden in der Kriegszeit nicht mehr gedruckte Beiträge überarbeitet und in den bald vierteljährlich erscheinenden „Mitteilungen“ veröffentlicht. Die GKSt setzte sich auch weiterhin für die Erhaltung historischer Bauten oder Anlagen ein, wofür sich im zu 80 Prozent zerstörten Kiel ein weites Feld bot.

Mit dem Wiederaufbau stabilisierte sich auch die Lage der GKSt , sowohl im Hinblick auf die Mitgliederzahl als auch finanziell und personell. Schon 1975 gehörte sie mit über 1000 Mitgliedern zu den größten lokalen Geschichtsgesellschaften Deutschlands. Im Tätigkeitsbericht von 1973 wird die Veröffentlichungsbilanz als „erfreulich“ bezeichnet, auch werden zahlreiche Vorträge, Ausstellungen und Exkursionen angeführt.

1976 heißt es dann: „Die Haupttätigkeit der Gesellschaft verlagert sich mehr und mehr auf die Veröffentlichung stadtgeschichtlicher Beiträge.“ Als Grund wird der hohe Kosten- und Arbeitsaufwand für Vorträge genannt. Diese Ausrichtung beginnt sich seit 2018 wieder zu ändern; der neue Vorstand hat sich zum Ziel gesetzt, auch über die Exkursionen hinaus – die regelmäßig weitergeführt wurden – wieder engeren Kontakt zu den Mitgliedern durch Vorträge und andere Veranstaltungsformen pflegen.

Seit 1976 fördert das Land Schleswig-Holstein die GKSt finanziell.

Vorstände

1973 schied Dr. Hedwig Sievert aus dem Vorstand aus, die als Direktorin des Kieler Stadtarchivs – ebenso wie ihr Vorgänger Dr. Gundlach und ihr Nachfolger Dr. Jensen – die Schriftführung übernommen hatte und vieles Organisatorische regelte. Sie wurde 1975 zum Ehrenmitglied ernannt. 1976 erhielt nach seinem Rücktritt der langjährige Vorsitzende Dr. Peter Jeschke den Titel eines  Ehrenvorsitzenden. Zum bisher letzten Mal gab es eine solche Ehrung 2013, als die stellvertretende Vorsitzende Dr. Brigitte Schubert-Riese nach ihrem Rücktritt zum Ehrenmitglied ernannt wurde.

In den knapp 150 Jahren ihres Bestehens wurde die Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte von bisher 15 Vorsitzenden geführt:

  • 1875-1890:   P. Kraus, Stadtrat
  • 1890-1894:   K. Jansen, Subrektor
  • 1894-1908:   Carl Rodenberg, Historiker an der CAU
  • 1908-1920:   Ludwig Ahlmann, Bankier
  • 1920-1921:   Anton Schifferer, Provinzialbevollmächtiger zum Reichsrat
  • 1921-1922:   Richard Passow, Jurist und Wirtschaftswissenschaftler an der CAU
  • 1922-1925:   M. Cornils, Pastor
  • 1925-1933:   M. Philipp, Stadtrat
  • 1933-1945:   Kurt Schmidt, Stadtrat
  • 1945-1947:   Günther Loewe, Stadtsyndikus
  • 1947-1952:   Gustav Rendtorff, Rechtsanwalt
  • 1952-1976:   Peter Jeschke, Rechtsanwalt
  • 1976-1986:   Herbert Wollschläger, Schulrat
  • 1986-2018:  Jürgen Jensen, ehem. städtischer Archiv- und Museumsdirektor
  • 2018-heute: Rolf Fischer, Staatssekretär i.R.
Mitgliederentwicklung
  • 1877:   156 Mitglieder
  • 1883:   209 Mitglieder
  • 1908:   123 Mitglieder
  • 1918:   137 Mitglieder
  • 1921:   939 Mitglieder
  • 1934:   257 Mitglieder
  • 1945:   285 Mitglieder
  • 1947:   395 Mitglieder
  • 1963:   ca. 700 Mitglieder
  • 1975:   1004 Mitglieder
  • 2018:   ca. 1500 Mitglieder

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Eine tiefergehende, in das historische Umfeld eingebettete Darstellung gibt:
Klaus Wriedt, „Hundert Jahre Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte“ (Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 59 Heft 7/8, S. 89-120), auf der der vorstehende Abriss beruht.

Geschäftsstelle im Stadtarchiv