Als Angehöriger der deutschen Bundestruppen kam der gelernte Drechsler und bayerische Artillerieunteroffizier Wilhelm Bauer aus Dillingen 1849 zur Unterstützung der Schleswig-Holsteiner, die sich militärisch von der dänischen Herrschaft befreien wollten, in den Landesteil Schleswig. Weil die dänische Flotte die Häfen der aufständischen Schleswig-Holsteiner blockierte, suchte Bauer nach einer neuen Waffe, um die dänischen Blockadeschiffe zu bekämpfen. Er kam auf die Idee, ein bemanntes Tauchboot mit armlangen Lederhandschuhen am Bug als Greifarmen zu bauen, mit dem die Besatzung Sprengladungen an Brückenpfeilern und Schiffsrümpfen anbringen konnte. Das Boot sollte mit Muskelkraft über eine Schiffsschraube angetrieben werden.
Bauer, der 1850 in die Schleswig-Holsteinische Armee eintrat, entwickelte mit seinem „Brandtaucher“ genannten Boot einen entfernten Vorläufer der heutigen U-Boote. Zum Einsatz im Krieg gegen Dänemark kam das in der Rendsburger Carlshütte begonnene und in der Kieler Eisengießerei und Maschinenfabrik Schweffel & Howaldt fertiggestellte 8 Meter lange Unterwasserboot aber nicht mehr, denn die Schleswig-Holsteiner stellten im Januar 1851 ihren Kampf ein.
Bei einer Probefahrt am 1. Februar 1851 sank der „Brandtaucher“ auf den Grund der Kieler Förde. Die Bergung des Tauchboots scheiterte, dennoch konnte die dreiköpfige Besatzung um Bauer nach mehreren Stunden unter Wasser das leckgeschlagene Boot unversehrt verlassen und zur Wasseroberfläche aufsteigen.
Der Brandtaucher blieb auf dem Grund der Förde liegen und wurde erst 1887 bei Baggerarbeiten wiedergefunden und geborgen. Heute steht er im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden.
Wilhelm Bauer entwickelte nach 1851 noch weitere U-Boot-Prototypen, von denen es keiner zur Serienreife schaffte. Er starb 1875 in München.
Der Brandtaucher war seinerzeit eine bedeutende technische Erfindung Bauers und eine bedeutende Konstruktionsleistung von Schweffel & Howaldt. Für die Entwicklung und industrielle Produktion von militärischen U-Booten in Kiel seit Beginn des 20. Jahrhunderts spielte er jedoch keine Rolle. Dennoch wurde er von der Kaiserlichen Marine, die 1906 ihr erstes seriengefertigtes U-Boot in Dienst stellte, zum bedeutendsten Prototypen dieser neuen Kriegswaffe verklärt, um den deutschen Anspruch auf diese Erfindung zu untermauern. Der Brandtaucher war aber nur eine von mehreren U-Boot-Konstruktionen im 19. Jahrhundert.
Bereits im Ersten Weltkrieg (1914-1918) setzte das Deutsche Reich U-Boote als Kriegswaffe ein. Im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) setzte die deutsche Kriegsmarine im Seekrieg fast ausschließlich auf U-Boote, deren Angriffen über 30.000 alliierte Seeleute zum Opfer fielen. Aber auch 30.000 der 40.000 deutschen U-Bootfahrer starben bei den Feindfahrten. Als Reichskriegshafen wurde Kiel von den Alliierten über 90 Mal aus der Luft bombardiert und stark zerstört. So trug der Bau von U-Booten in Kiel maßgeblich zur Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg bei. Noch heute sind die Kieler Werften und die Wirtschaft eng mit dem Bau von militärischen U-Booten und deren Export in zahlreiche Staaten verbunden.
Die Büste für den U-Boot-Pionier Wilhelm Bauer wurde vom Künstler Manfred Sihle-Wissel (geb. 1934 in Tallinn) geschaffen, der seit den 1990er Jahren zahlreiche deutsche Persönlichkeiten porträtiert hat.
Literatur:
Klaus Herold, Der Kieler Brandtaucher. Wilhelm Bauers erstes Tauchboot (Bonn, 1993)
Text: Dr. Martin Rackwitz